Ich wills – Ich wähls
Teil 1:
Vorbei die Zeit von schwarzen Schäfchen und
Schweizer-aufschlitzenden Kosovaren-Märchen.
Wer heut bei Wählern landen will
Bleibt beim Umweltschutz nicht still
«Fuck de Planet» erhielt ein Late-Update als wärs von gestern,
Klimapolitik und Wahlerfolg sind jetzt Schwestern,
Konkret getan wird bisher noch nichts,
Solang niemand gewählt ist, wird allein gewichst.
Einzig an Bahnhöfen werden Plakatwälder gepflanzt,
daraus sympathisch-aussehende Gesichter gestanzt,
mit dem Ziel mir im Vorbeigeh’n den perfekten Match anzudreh’n.
«Ich wills – ich wähls»
steht da etwa geschrieben
«Ich wills – ich wähls»?
Manch einem hormongesteuerter Tinder-Nutzer zimmerts.
Er fühlt sich grad an sein Swipe-Verhalten zurückerinnert.
«Ich wills – ich wähls»
Um das eigene Alter nicht zu verraten
Setzen gerade ältere Kandidaten
Auf die Sprache junger Polit-Piraten
Und wirken dabei wie Primaten,
die den Unterschied zwischen Wetterdaten
und Klimakarten, heut noch erraten.
Ich wills – ich wähls.
Auf Plakaten voll relaxed am been und sich jung, wild und sexy präsentier’n.
Keine Angst: Harvey Weinsteen* wird nicht kandidier’n.
Ich wills – ich wähls.
Wenn Politiker so meine Stimme begehren,
Kann ich mir ein Lächeln nur schwer verwehren.
Eine Hommage für eine faltige Visage
Wär für mich eine Blamage und
bleibt folglich aus – C’est dommage.
Ich wills nicht und ich wähls nicht.
SCHNITT
Stop! Wo red ich mich hin? Leben wir nicht in einem Land, indem
immer alle bestens wissen, gegen wen oder was sie sind?
Ok, ich bin gegen schlecht gemachte Wahlkampfparolen – super!
Lass uns doch mal Vorschläge bringen, wofür wir uns einsetzen
würden, denn ansonsten sind wir keinen Deut besser, als
plakatwälderpflanzende Harvey «Weinsteens» auf Tinder-Entzug.
Teil 2:
Ich wills – wählst dus?
Ich bin für Busfahrer, die dich wieder einsteigen lassen, wenn du
ausgestiegen bist, um Leute aussteigen zu lassen.
Ich bin für die freitägliche Gratis-Abgabe von Ökoplan Demonstrations-Kartons an Schulen.
Ich bin für ein Einreiseverbot österreichischer Politiker auf den Balearen.
Ich bin für Fussgänger, die Autofahrern am Fussgängerstreifen Zurückwinken.
Ich bin für Kleinkinder, die nicht pausenlos nur auf dich zeigen und dich mit ihren riesengrossen Augen im Bus anstarren.
Ich bin für die sofortige Unterzeichnung des Ramen-Abkommens, damit die Schleichwerbung für japanische Suppen ein Ende nimmt.
Ich bin für Fahrradfahrer, die tatsächlich rechts abbiegen, wenn sie per Handzeichen angeben rechts abzubiegen.
Ich bin für Gruppenarbeiten, bei denen Teammitglieder mehr machen als nur ihren Namen oben rechts hinzuschreiben.
Ich bin für die Abschaffung von Fruchtsalaten, die sich als Desserts ausgeben.
Ich bin dafür, dass Pendler, die in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht telefonieren, nicht blöd angestarrt werden.*
Bernhard aus Bern – zweimal auf deine Liste.
*Dieses Wahlversprechen stammt vom Berner Komiker Christoph Simon.